Razion EX im Test

Bei NGDev entwickeln unter anderem die Brüder Tim und Rene Hellwig an ihren Spielen für das altehrwürdige Neo Geo. Unter dem Namen HUcast arbeitet Rene allerdings auch ohne seinen Bruder an Videospielen für modernere Konsolen und veröffentlichte seither die Titel Dux, Redux Dark Matters (alle Dreamcast) und Ghost Blade (praktisch alle Konsolen der achten Generation). Und genau auf Basis der (Re-)Dux-Titel wurde 2014 bei NG:Dev Razion entwickelt. Mit der bewusst steril gehaltenen Dux-Optik und dem etwas trägen Spielablauf müssen sich Neo Geo-Fans allerdings nicht anfreunden. Vielmehr erstrahlt es in digitaler Sprite-Optik, die auf dem Neo Geo unter anderem von Pulstar und Blazing Star geprägt wurde, und noch immer unverbraucht daherkommt. Im Gegensatz zu NGDEVs zuvor veröffentlichten STG Fast Striker hier auch mit aufwändigen und liebevollen Hintergründen. In dieser Stilrichtung ist Razions Grafik ganz weit vorn. Allein deshalb lohnt sich schon der Kauf für 2D-Ästheten und STG-Fans.

Außerdem dreht Razion im Vergleich zu René Hellwigs Titeln ordentlich an der Geschwindigkeitsschraube. Gegner treten in Scharen auf und decken euch mit vielen teils recht schnellen Geschossen ein. Der R-Type-Bezug in Form eines defensiven Satelliten, der Angriffe absorbiert, fällt hier weg. Razion wirkt spektakulärer und offensiver und bewegt sich damit eher auf den Spuren bspw. von einigen Darius-Titeln. Auch da man, wie sonst fast nur bei typischsten Euro-Shootern üblich, selten gezwungen ist, die Level auswendig zu lernen. Gute Reflexe und Erfahrung reichen in den meisten Fällen aus, obwohl ihr keine Schild-Items zur Seite gestellt bekommt. Im Gegensatz zum Euroshooter-Klischee allerdings ohne übertriebene Längen, zu langlebigen Gegnern oder ungeschicktes Leveldesign.

Im Vergleich zu den meisten Horizontalshootern gibt es in Razion ein Waffen- und Steuerungssystem, wie man es eher aus Danmakus (Bullethell) kennt. Ein dreiwegiger Streuschuss ist eure einzige Bordwaffe, die von Raketen im Dux-Stil ergänzt werden. Wie in Danmakus üblich, gibt es einen Angriffsmodus, der euren Jäger langsamer fliegen lässt, um präzise ausweichen zu können, aber eure Geschosse nicht ändert, was wir von den meisten Danmakus anders kennen. Weiterhin könnt ihr ein wuchtiges Energiegeschoss abfeuern, welches sämtliches Feuer der Gegner auflöst und damit ein sehr nützliches und wertvolles Werkzeug ist. Diese Waffe muss aber nach Benutzung ein paar Sekunden abkühlen, was durch die blaue Leiste am unteren Bildschirmrand dargestellt wird.

Auf ihr baut das Punktesystem auf. Gegner hinterlassen goldene Würfel, die nach kurzer Zeit verschwinden, wenn ihr sie nicht aufsammelt. Herauszögern lässt sich dies durch einen Treffer mit eurer Superwaffe, was sie für ein paar weitere Sekunden einfriert. Sie möglichst spät einzusammeln, wirkt sich positiv auf eure Punktzahl aus. Beispielsweise verdoppelt sich deren Wert, wenn mehr als 10 von ihnen auf dem Bildschirm sind. Seid ihr jedoch zu gierig und vergesst auch nur einen (Eis-)Würfel rechtzeitig zu absorbieren oder erneut einzufrieren, verschwinden gänzlich alle anderen mit ihm.

Die EX-Version ändert übrigens Details am Leveldesign, dem Punktesystem, der Steuerung und dem Schwierigkeitsgrad. Außerdem wurden Grafikeffekte geändert, um sich etwas oberhalb des hohen Neo Geo-Niveaus anzusiedeln. Der Scanlinefilter wird ebenfalls dankend angenommen. Am wertvollsten ist für die meisten Spieler aber die Möglichkeit, bereits bewältigte Bosse und Level zum Üben einzeln auszuwählen, was bis zum erfolgreichen Durchspielen etwas Frust abbauen kann. Die mittlerweile fast übliche Rückspulfunktion vieler Neuauflagen findet sich hier allerdings nicht. Für mein Empfinden ist dies mit Blick auf die vorhandenen Modi aber kein ein Verlust. Einen Replaymodus hätte ich mir aber durchaus gewünscht, da es ja die Switch ist, die kein Hardwareseitiges Aufnehmen von Spielszenen (über die 30 Sekunden hinaus) ermöglicht.

Außerdem spendieren euch die Entwickler einen leichteren Schwierigkeitsgrad, der vielen helfen wird, einfacher ins Spiel zu finden. Besonders, da sich hier eure Superwaffe schneller auflädt und ihr daher die gegnerische Aggression oft schon im Keim ersticken könnt. Wer es härter braucht, bekommt mit Maniac auch eine Option auf richtig viele Gegner und Projektile auf dem Bildschirm, was Razion nun ebenfalls für versiertere Spieler interessant macht. Allzu extrem wird es aber im Vergleich mit Genre-Genossen nicht. Leider skalieren die Bosse nicht direkt mit den Einstellungen und verhalten sich fast in allen drei Modi gleich. Das wirkt zum einen etwas unfertig, zum andern erscheinen im Maniac-Modus die Bosse als zu passiv und unmotiviert.

Abgesehen von ein paar wenigen allzu laschen Effekten beim Zerschießen mittlerer Gegner leistet sich Razion praktisch keine Schwächen und bietet euch ein STG auf sehr hohem Niveau. Selbst die etwas zu ähnlich inszenierten Bosskämpfe bieten genug Variation, um nicht negativ aufzufallen. Besonders die Mischung im Spielkonzept mit seinen fast typischen Horizontalshooterleveln inklusive eingeschränkter Bewegungsfreiheit und den beinahe Danmaku-artigen Angriffswellen ist nach Caves Deathsmiles eine willkommene Abwechslung. Gepaart mit der fast komplett fehlenden Notwendigkeit des Auswendiglernens der Level, die im Genre sehr verbreitet ist, ist Razion EX eines der für das breiteste Publikum empfehlenswertesten STGs überhaupt.

Neben den bildschönen Leveln ist übrigens der Soundtrack von Andre Neumann (Dux und Redux) ebenfalls ein Hochgenuss. Melodische und auch durchaus epische, wuchtige Titel begleiten euch durch die komplette Spielzeit, die sich mit knapp 30 Minuten auf gewohntem STG-Niveau befindet. Obwohl sie aus einem Guss sind, versehen sie jeden Abschnitt mit einem eigenen Charakter. Besonders die klangliche Untermalung von Level drei und fünf sind schlicht grandios.